Service- und Vernetzungsstelle
für Gleichstellungsbeauftragte in Rheinland-Pfalz

„Abschaffung der Steuerklasse V kann Reform des Ehegattensplittings nicht ersetzen“

Nach Ansicht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) bedarf die von der Bundesregierung geplante Reform der Lohnsteuer von Ehepaaren, die die hohe Belastung für Zweitverdienende mindern und damit die Erwerbsbeteiligung von Frauen fördern soll, der Nachbesserung. Eine DIW-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die in Aussicht gestellte Abschaffung der Steuerklassenkombination III und V „grundsätzlich zielführend“ sei, solle aber „von einer umfassenden Reform des Ehegattensplittings flankiert werden“. Denn die Abschaffung der Steuerklasse V könne die Splittingreform nicht ersetzen.
Das DIW hat die steuer- und frauenrechtliche Problematik wie folgt erläutert: „Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass die Kombination der Steuerklassen III und V bei Ehepaaren abgeschafft wird. Zugleich soll das sogenannte Faktorverfahren der Kombination IV/IV gestärkt werden. Derzeit sind zumeist Ehefrauen mit deutlich geringerem Einkommen als ihre Partner in Steuerklasse V eingruppiert und tragen damit höhere Steuerbelastungen, als es bei einer Individualbesteuerung der Fall wäre. Im Gegenzug wird der Erstverdienende – zumeist der Ehemann – mit Klasse III steuerlich begünstigt. Steuerklasse IV für beide Partner*innen ließe die Grenz- und Durchschnittsbelastungen für Zweitverdienende sinken und die der Erstverdienenden steigen. ‚Bei einem jährlichen Bruttolohn von 20.000 bis 35.000 Euro würde z.B. eine teilzeitarbeitende Frau beim Übergang in die Steuerklasse IV 200 bis 300 Euro mehr in die Familienkasse einzahlen‘, so DIW-Studienautor Stefan Bach.
Die Option auf das Faktorverfahren bei Steuerklasse IV würde zusätzlich steuermindernd wirken, da dies den Splittingvorteil bei der Lohnsteuer beider Partner*innen berücksichtigt. ‚Dieses Verfahren ist bereits seit langem möglich, wird aber nur wenig genutzt, weil es kaum bekannt ist‘, ergänzt Bach. ‚Es muss aufwändig beantragt und alle zwei Jahre erneuert werden, was viele Paare abschreckt.‘ Die DIW-Autor*innen schlagen einen gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich vor. Das wäre ein großer Schritt in Richtung vorausgefüllte Steuererklärungen (Easy Tax), der auch im Ampel-Koalitionsvertrag erwähnt wird und Millionen Ehepaaren die Steuererklärung ersparen würde.“
Quelle: fpd 803

Die Erwerbsbeteiligung von Frauen steigt, wenn sie bei Sorgearbeit entlastet werden

Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ergab: „Sorgearbeit und Erwerbsbeteiligung sind zwischen Frauen und Männern in Deutschland sehr ungleich verteilt. In rund 75 Prozent der Paarhaushalte übernimmt der Mann weniger als die Hälfte der Sorgearbeit. Leistet der Mann aber mehr Sorgearbeit, also Hausarbeit und Betreuungsaufgaben, steigt die Erwerbsbeteiligung von Frauen. Der Arbeitsumfang der Frauen nimmt sogar viermal so viel zu, wie er beim Mann abnimmt.“ Die Studienautorin Claire Samtleben erläuterte: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass, wenn Frauen bei Hausarbeit und Kinderbetreuung entlastet werden, sie mehr erwerbstätig sind. Wird die Sorgearbeit ausgelagert, also z.B. mit Kita-Betreuung oder Haushaltshilfen, erhöht dies nicht nur die Beschäftigungswahrscheinlichkeit und den Erwerbsumfang bei den Frauen, sondern auch bei den Männern.“
Quelle: fpd 802

„Fast nur bei jüngeren Frauen ist die Verdienstlücke in 30 Jahren kleiner geworden“

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) teilte anlässlich des „Equal Pay Day“ mit, dass die Verdienstlücke zwischen Frauen und Männern (Gender Pay Gap) in den letzten 30 Jahren fast nur bei den jüngeren Frauen kleiner geworden ist. Das Institut stützt sich auf eine Studie auf der Basis von Daten des Sozioökonomischen Panels (SOEP).

Die Ergebnisse der Studie (unter Nutzung des Originaltexts des DIW) wurden vom fpd wie folgt zusammengefasst:

  • „Die Verdienstlücke zwischen Frauen und Männern ist in den vergangenen Jahren langsam, aber kontinuierlich bis auf 18 Prozent gesunken. Der Rückgang unterscheidet sich allerdings sehr stark nach dem Alter.“
  • „Während der Gender Pay Gap bei den unter 30-Jährigen von durchschnittlich rund 15 Prozent in den Jahren 1990 bis 1999 auf 8 Prozent im Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2019 fiel, verharrte er in den Altersgruppen ab 40 Jahren bei deutlich über 20 Prozent.“
  • „Frauen legen ab der Geburt des ersten Kindes längere Pausen vom Job ein und arbeiten häufiger in Teilzeit. Die Folge ist, dass Männer mit ihren Stundenlöhnen insbesondere im Alter von 30 bis 40 Jahren davonziehen.“
  • „Grund dafür ist in erster Linie die in Deutschland nach wie vor sehr ungleiche Aufteilung der Sorgearbeit. Mütter wenden im Durchschnitt deutlich mehr Zeit für Kinderbetreuung und Hausarbeit auf als Männer. Sie treten beruflich kürzer – und zwar nicht nur vorübergehend, sondern oft dauerhaft.“
  • „Da Teilzeitjobs nicht nur aufgrund des geringeren Stundenumfangs weniger Gehalt abwerfen, sondern auch pro Stunde schlechter bezahlt werden, weitet sich die Lohnschere zwischen Frauen und Männern ab der Familiengründung – und schließt sich in höherem Alter nicht mehr.“
  • „Dass die Verdienstunterschiede im Alter bis 30 Jahren heute geringer ausfallen, ist u. a. den höheren Bildungsabschlüssen von Frauen zuzurechnen: Junge erwerbstätige Frauen haben mittlerweile häufiger einen Universitätsabschluss als junge Männer. Zudem bekommen sie ihr erstes Kind später, als das früher der Fall war.“
    Quelle: fpd 802, DIW

Mütter leisteten zu Anfang der Pandemie deutlich mehr Kinderbetreuungsarbeit als Väter

Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ergab: „Mütter leisteten während der Anfangsphase der Covid-19-Pandemie deutlich mehr zusätzliche Kinderbetreuungsarbeit als Väter. Gleichzeitig sank die Lebenszufriedenheit bei Müttern mit Kindern bis 12 Jahren stärker als bei anderen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.“

Wesentliche Ergebnisse:

  • Frauen waren von den Kita- und Schulschließungen besonders betroffen. Für beschäftigte Mütter mit Kindern bis 12 Jahre stieg die für Job, Pendeln, Kinder und Haushalt aufgewendete Zeit im Frühjahr 2020 um 8 Wochenstunden, für Väter nur um 3 Stunden.
  • Parallel zur höheren zeitlichen Belastung sank die Lebenszufriedenheit bei Müttern mit Kindern bis 12 Jahren im Frühjahr 2020 stärker als bei anderen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.
  • Im September 2020, also nach dem ersten Lockdown, hatte die durchschnittliche wöchentliche bezahlte Arbeitszeit für Frauen fast wieder ihr Ausgangsniveau vom Februar 2020 erreicht, während sie bei Männern noch stärker unter dem Ausgangsniveau verblieb.
  • Dass der Zeitaufwand für Kinderbetreuung im Vergleich zum April 2020 deutlich zurückging, spricht dafür, dass die Eltern ihre bezahlte Erwerbsarbeit nicht freiwillig gegen Kinderbetreuung eingetauscht haben, sondern zum Status Quo zurückkehren wollten.
  • Während Männer in früheren Rezessionen, wie der Finanzkrise 2009, oft stärker von Arbeitsausfall betroffen waren, wirkte sich die Covid-19-Pandemie etwa gleich stark auf sozialversicherungspflichtig beschäftigte Frauen und Männer aus.
  • Der Anteil von Frauen in Kurzarbeit lag dabei deutlich höher als in vorherigen Rezessionen: im Mai 2020 lag der Frauenanteil an in Kurzarbeit Beschäftigten bei 40 Prozent, im Mai 2009 während der Finanzkrise hatte er nur 20 Prozent betragen.
  • Den diesmal besonders hohen Frauenanteil an den von Kurzarbeit Betroffenen erklärt das IAB mit dem besonders hohen Anteil der pandemiebedingtbetroffenen Dienstleistungsbranchen mit besonders hohen Frauenanteilen wie Gastronomie und Unterhaltung.
  • Dass aber insgesamt von einer Geschlechterneutralität bei der Betroffenheit von Frauen und Männern mit Kurzarbeit ausgegangen werden kann, machte IAB-Forscherin Hannah Illing mit folgender Feststellung deutlich:
  • „Frauen arbeiten aber auch in Branchen, die kaum vom Arbeitsausfall im Zuge der Pandemie beeinträchtigt wurden, wie dem Gesundheits- und Sozialwesen. Somit war der Arbeitsausfall wegen der unterschiedlichen Betroffenheit der verschiedenen Branchen während der Pandemie weitestgehend geschlechterneutral.“

Quelle: fpd 801, https://doku.iab.de/kurzber/2022/kb2022-03.pdf

Die Renaissance antiker Rollenstereotype ist im Gang

Eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung belegt, dass die Überwindung überkommener Rollenstereotype bei Arbeit und Beruf auf der Ebene der Familien noch immer ungefestigt ist. In der Studie untersucht das WSI auf der Basis von Befragungsreihen die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Arbeits- und Familienleben der Menschen. 

Wichtige Ergebnisse zusammengefasst:

  • Nach 2 Jahren mit dem Corona-Virus musste im Januar 2022 noch immer jede fünfte erwerbstätige Mutter (19 Prozent) ihre Arbeitszeit herabsetzen, um ihre Kinder zuhause betreuen und/oder schulisch unterstützen zu können.
  • Während sich beim ersten Lockdown Anfang 2020 vermehrt auch Väter bei geschlossenen Kitas und Schulen daheim der Kinderbetreuung widmeten, werden diese Aufgaben inzwischen wieder überwiegend von den Müttern wahrgenommen.
  • Im Januar 2022 berichteten weit über 60 Prozent der befragten Mütter, die Verantwortung für die Kinderbetreuung liege wieder bei ihnen und nicht bei beiden Elternteilen.
  • Die pandemiebedingt erzwungene Reduzierung der Arbeitszeit führt bei vielen Frauen zu Verdienstausfällen, versetzt geringverdienende Familien in Finanznöte und vergrößert die Verdienstlücke zwischen Männern und Frauen.
  • Dieser „Rückabwicklungseffekt“ bedeutet, dass sich nach zwei Jahren Corona-Pandemie mehr Frauen in dieser sie benachteiligenden Situation sehen als vor Ausbruch der Seuche.
  • Auch 40 Prozent der Unternehmen sehen sich durch die Arbeitsausfälle, zu denen sich (vor allem weibliche) Beschäftigte pandemiebedingt (für Kinderbetreuung, pflegerische Aufgaben, Quarantäne u.a.) genötigt sehen, zunehmend in ihren betrieblichen Abläufen gestört.
Quelle: fpd 801, https://www.wsi.de

Mehrheit der Europäer*innen empfindet Einkommens- und Vermögensverteilung ungerecht

Nach Mitteilung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) weisen Ergebnisse von drei Studien, die das DIW auf der Basis des European Social Survey durchgeführt hat, daraufhin dass, „rund 80 Prozent der erwerbstätigen Europäer*innen […] sich um die soziale Gerechtigkeit [sorgen]; sie bewerten die Einkommens- und Vermögensungleichheiten in ihrem Land als ungerecht. Die Chancengerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt betrachtet knapp ein Drittel der Europäer*innen als nicht erfüllt. Allerdings sehen sich lediglich acht Prozent der Befragten als Teil einer Gruppe, die bspw. aufgrund ihrer Herkunft, Sprache, Religion, Geschlecht oder sexuellen Orientierung benachteiligt wird.“

Frauen, so heißt es weiter, fühlten sich zwar „immer häufiger von Benachteiligungen bedroht“, würden aber „sehr wahrscheinlich heute nicht häufiger benachteiligt als noch 2008“, sondern hätten „eine höhere Sensibilität für Diskriminierung entwickelt“. Die DIW-Mitarbeiterin Sandra Bohmann meinte, die Studienergebnisse hätten insoweit „auch etwas Ermutigendes“, weil Politik und Gesellschaft Diskriminierung nur dann erfolgreich bekämpfen könnten, wenn nicht nur Betroffene sensibilisiert seien, sondern das Bewusstsein aller dafür geschärft werde.

Quelle: fpd 801